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OKR, Agile und Scrum: Der komplette Guide

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OKR and Agile

Wie passen OKR, Agile und Scrum zusammen? Gerade bei der Einführung von OKRs oder bei der Zusammenführung von OKRs und Scrum ist Mitarbeitenden oftmals nicht ganz klar, wie die beiden agilen Methoden einzuordnen sind und wie diese zusammenspielen.

Dieser Artikel soll Klarheit schaffen und widmet sich daher folgenden Fragen:

  • Wie alles begann: Was ist das Wasserfallmodell?
  • Was ist Agile?
  • Was ist Scrum?
  • Was sind OKRs?
  • Ist OKR ein Teil von Agile?
  • Wie tragen OKRs zu Agilität bei?
  • Was ist der Unterschied zwischen Agile, OKRs und Scrum?
  • Was ist die Beziehung von OKR und Scrum?
  • Können OKRs und Scrum zusammen funktionieren? Falls ja, wie?

Grund für die Verwirrung ist meistens, dass Agile mit agilem Software Development gleichgesetzt wird, was in vielen Fällen gleichbedeutend mit dem Scrum-Framework ist. Das ist aber nicht ganz richtig.

Um sich den Konzepten zu nähern, ist es hilfreich zu verstehen, warum Agile überhaupt entstanden ist und was bis dahin den Großteil der Arbeitswelt dominiert hat: Das Wasserfallmodell.

Was ist das Wasserfallmodell?

Das Wasserfallmodell beschreibt ein lineares Vorgehensmodell im Projektmanagement (hauptsächlich in der Softwareentwicklung) und zeichnet sich dadurch aus, dass die Entwicklungsprozesse in aufeinanderfolgende Projektphasen unterteilt werden.

Die nächste Phase darf immer erst dann eingeleitet werden, wenn die vorherige Phase nach vorher festgelegten, messbaren Kriterien bzw. Meilensteinen erfüllt wurde.

Die gängigsten Wasserfall-Varianten umfassen diese fünf Phasen:

  1. Planung: Anforderungsanalyse und -spezifikation
  2. Design: Systemdesign und -spezifikation
  3. Implementierung
  4. Test
  5. Einsatz und Wartung
Wasserfall-Modell
Wasserfall-Modell

Diese Entstehungsnatur bringt sehr starre Prozesse und Ziele mit sich, die Agilität im Vorhinein ausschließen. Diese Art von Arbeitsabläufen ergab in den 70ern, als das Modell entstanden ist, durchaus Sinn, waren wirtschaftliche Zusammenhänge doch noch deutlich klarer miteinander verbunden und die Umwelt einfacher vorherzusagen.

Heute aber sind die Verstrickungen häufig zu komplex, um sich auf die vorgegebene Struktur des Wasserfallmodells zu verlassen. Dem Wasserfall-Mindset liegen nämlich vier wesentliche Fehleinschätzungen zugrunde:

  1. Wir sind dazu in der Lage, alle Schritte des Plans im Vorhinein und en detail vorauszusehen
  2. Der Großteil unseres Plans wird sich als gut oder korrekt herausstellen
  3. Das Marktumfeld wird sich nicht oder kaum ändern
  4. Änderungen werden sich in Grenzen halten; ein halbjährliches Review reicht, um auf etwaige Änderungen zu reagieren

Als Konsequenz hat die statische Natur des Wasserfallmodells in einer zunehmend komplexer werdenden Arbeitswelt größtenteils ausgedient. Neue Mindsets und Methoden wie „Agile“, „Scrum“ oder „OKRs“ liefern zeitgemäßere Antworten auf die neuen Herausforderungen unserer Welt und die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung.

Was ist Agile?

Der Begriff „Agile“ (deutsch: „Agilität“) ist zurückzuführen auf drei Wissenschaftler der Lehigh Universität in Bethlehem. Agilität bezeichnet ihnen zufolge ein spezielles Mindset im Management einer Organisation, das voraussieht, im Arbeitsalltag besonders antizipativ, proaktiv, flexibel und initiativ zu agieren.

Diesen Agilitätsmerkmalen ist der Gedanke vorgeschaltet, dass „traditionell“ organisierte Unternehmen eher prozess- oder projektorientiert arbeiten. Die damit einhergehende Hierarchie kann – soweit die Überlegung – in der modernen, unsteten Realität des Marktes zunehmend hinderlich und lähmend wirken.

Um sich von klassische Organisationskulturen abgrenzen zu können, werden sechs Dimensionen identifiziert, die innerhalb einer Organisation vorhanden sein müssen, damit sie als „agil“ gilt.

Diese Dimensionen lauten wie folgt:

  • Agiles Zielbild
  • Kundenorientierte Organisationsstruktur
  • Iterative Prozesslandschaften
  • Mitarbeiterzentriertes Führungsverständnis
  • Agile Personal- und Führungsinstrumente
  • Agile Organisationskultur

Der Begriff "Agilität" wurde insbesondere durch die Veröffentlichung des Agile Manifesto im Jahr 2001 popularisiert. Die hier formulierten Ansätze sind auf Grundlage von Agile entstanden, befassen sich aber explizit mit der Entwicklung von Software. Aus diesen Ansätzen ist später dann „Scrum“ entstanden.

Was ist Scrum?

Scrum Framework
Scrum Framework

Bei Scrum handelt es sich um ein Projektmanagement-Framework, das diverse Ereignisse (Meetings), Artefakte (z.B. Backlog) und Rollen (Verantwortlichkeiten) über bestimmte Regeln miteinander verknüpft, um agiles Arbeiten in der Softwareentwicklung zu ermöglichen.

Der Begriff „Scrum“ kommt ursprünglich aus dem Sport und beschreibt das Gedränge während des Spiels auf einem Rugbyfeld.

Der amerikanische Software-Entwickler Ken Schwaber war maßgeblich an der ersten Formalisierung von Scrum im Jahr 1993 beteiligt und schrieb damals: „Scrum akzeptiert, dass der Entwicklungsprozess nicht vorherzusehen ist. Das Produkt ist die bestmögliche Software unter Berücksichtigung der Kosten, der Funktionalität, der Zeit und der Qualität.“

Scrum basiert hauptsächlich auf dem Konzept von sogenannten „Sprints“:

  • Ein Sprint stellt eine abgesteckte Zeiteinheit dar, während derer sich ein Team einer bestimmten Aufgabe widmet.
  • Ein Sprint dauert üblicherweise zwischen einer Woche und einem Monat. Jeder Sprint endet mit einem Review. Das heißt: Das Scrum-Team – und andere wichtige Stakeholder – prüft am Ende eines Sprints den erzielten Fortschritt. Hier werden auch Grundlagen für die folgenden Sprints erarbeitet.
  • Nach dem Review wird ein neues Element aus dem Product Backlog gewählt und ein neuer Sprint beginnt. Der Product Backlog beschreibt eine sich weiterentwickelnde Sammlung aller Anforderungen an das Produkt, die peu a peu adressiert werden.
  • Während der Sprints gibt es jeden Tag ein Daily Scrum. Hier berichten die Teams kurz von ihren Fortschritten. Die Daily Scrums sollten nicht länger als 15 Minuten dauern.

Durch die Einhaltung dieser Regeln und dem Zusammenspiel der Scrum-Elemente kann agiles Arbeiten auf der operativen Ebene (Projekt- und Produktmanagement) verwirklicht werden.

Doch was ist mit den anderen oben genannten Dimensionen der Agilität? Hier kommen OKRs ins Spiel.

Was sind OKRs?

OKR Framework
OKR Framework

OKRs sind im Grunde genommen das fehlende Puzzleteil, wenn ein Unternehmen versucht, sich in Richtung Agilität zu entwickeln, dabei jedoch bisher nur auf Scrum zurückgegriffen hat. Denn bei Scrum geht es um den Betriebsablauf, bei OKRs um strategische Zielsetzung. Beide agile Methoden zusammen sind jedoch das perfekte Fundament, um ein ganzheitlich agiles Unternehmen zu schaffen.

OKR steht für „Objectives and Key Results“ und beschreibt ein Management-System, das eine zielgerichtete, moderne und flexible Art der Mitarbeiterführung in seinem Mittelpunkt sieht. Die Zielsetzung erfolgt dabei über die sogenannten Objectives. Objectives sind qualitative, inspirierende Ziele, deren Einhaltung durch die Messung von Ergebniskennzahlen – den „Key Results“ – kontrolliert wird.

Nachdem die OKR-Methode vor allem in der Tech-Szene in und abseits des Silicon Valley populär wurde – durch Unternehmen wie LinkedIn, Spotify oder Slack – findet sie inzwischen in allen Branchen von Unternehmen jeglicher Größe erfolgreich Anwendung.

OKRs und Agile: Wie schaffen OKRs Agilität?

OKR ist keine Methode der agilen Softwareentwicklung wie Scrum, trägt aber den gleichen Geist von „Agile“ als Konzept in sich. Wenn die OKR-Methode in einem Unternehmen verstanden und angewendet wird, trägt dies dazu bei, das Unternehmen agiler zu machen.

Das hat mehrere Gründe:

Ziele werden häufiger gesetzt

Bevor OKRs die Bühne des Zielmanagements betreten haben, war es Gang und Gäbe Ziele auf Jahresbasis zu definieren und diese einmal im Jahr zu evaluieren. Das ist in der modernen und schnelllebigen Arbeitswelt aber natürlich eine viel zu behäbige Taktung und verlangsamt die Reaktionsfähigkeit von Unternehmen.

OKRs werden hingegen in kürzeren Zyklen (meist Quartale) definiert, sodass unterjährig mindestens vier Mal auf externe Einflüsse oder interne strategische Neuausrichtungen reagiert werden kann, was zur Agilität des Unternehmens beiträgt.

Transparenz und bessere Kommunikation

Damit ein System (in diesem Fall: ein Unternehmen) effektiv auf veränderte Umwelteinflüsse reagieren und sich neu organisieren kann, sind zwei Dinge notwendig: Alle Informationen müssen verfügbar sein (Transparenz) und die Systemelemente (Mitarbeitende und Teams) müssen Informationen untereinander austauschen können (Kommunikation). OKRs schaffen Transparenz, indem die Ziele öffentlich einsehbar sind und kommuniziert werden. Sie schaffen weiterhin Klarheit rund um die Mission und Strategie des Unternehmens, indem sich alle Teams intensiv mit den Unternehmens-OKRs beschäftigen und ihre Team-OKRs an diesen ausrichten.

Durch die kollaborativen Events, wie OKR Planning, Review, Retrospektive und wöchentliche OKR-Check-ins, werden darüber hinaus die Kommunikation innerhalb von Teams und zwischen Abteilungen gefördert sowie Feedbackwege verkürzt.

Purpose und intrinsische Motivation

Einfluss von OKRs und Purpose auf Agilität
Einfluss von OKRs und Purpose auf Agilität

Transparente Kommunikation hilft nur bedingt, wenn am Ende des Tages alle in unterschiedliche Richtungen laufen. Ein klarer Sinn und Zweck (Purpose) lässt alle Mitarbeitenden an einem Strang ziehen. Die in der Abbildung dargestellten “Purpose-Vektoren” neutralisieren sich nun nicht mehr gegenseitig, sondern sind gleich ausgerichtet und unterstützen einander, sodass sich das Unternehmen in Summe agiler und schneller auf seine Ziele zubewegen kann. Weiterhin kann die gemeinsame Entwicklung von gut formulierten OKRs in den Teams dazu führen, sich ihrer Arbeit und untereinander zugehöriger zu fühlen. Die Teams binden sich durch die intensive Auseinandersetzung mit der Strategie mehr und mehr an die Vision des Unternehmens, was zur intrinsischen Motivation bei der Arbeit führt.

Hinweis: Wenn hier top-down delegiert wird, verliert man sowohl den Vorteil des sinnstiftenden Zwecks als auch den der intrinsischen Motivation.

Autonomie und Selbstverantwortung

Ein weiterer Vorteil des OKR-Frameworks ist sein Effekt auf die Agilität eines Unternehmens durch mehr Autonomie und Selbstverantwortung.

Das bloße Kaskadieren und "Durchreichen" von Unternehmens- und Abteilungszielen in untere Hierarchieebenen wirkt demotivierend und beschneidet insbesondere die Handlungsfähigkeit der Teams “am unteren Ende” des Organisationsdiagramms. Mit OKRs wird durch die eigenständige Erarbeitung von Teamzielen eine Verlagerung zu mehr Selbstverantwortung erzielt, was Teams auf jeder Hierarchieebene handlungsfähiger, reaktionsschneller und agiler werden lässt, ohne zunächst auf etliche Freigaben von oben warten zu müssen. Die Teams, die am nächsten am Marktgeschehen dran sind, können direkt auf neue Entwicklungen reagieren und werden nicht durch interne Genehmigungen und Bürokratie verlangsamt.

OKRs should be written in pencil, not in stone.
Felipe Castro, OKR Trainer & Autor

Erhöhte Kundenorientierung: Outcome, nicht Output

Zuletzt wirken sich OKRs positiv auf die Kundenorientierung aus, die eine der sechs Dimensionen der Agilität darstellt.

Anders als bei Scrum geht es bei OKRs nicht darum, einen Output zu erschaffen, sondern einen Outcome. Ein Outcome zeichnet sich durch seinen tatsächlich messbaren Wert für den Kunden aus. Ein Output muss diesen Wert nicht unbedingt haben und ist damit einfacher zu planen.

Dieser auf dem Outcome basierte Ansatz erfordert die eingehende Beschäftigung mit Kundenwünschen und damit auch die Öffnung des Unternehmens gegenüber seinem externen Umfeld. Feedbackprozesse und Kommunikationskanäle mit Kunden werden etabliert, was das Unternehmen auch nach außen agiler werden lässt.

OKR, Agile und Scrum – ein Überblick

Agile

OKR

Scrum

Kollektives Mindset eines Unternehmens

Zielmanagement Methode

Projektmanagement Methode

Ganzheitlich (alles durchdringende Mentalität)

Strategische Ebene

Operative Ebene (hauptsächlich Softwareentwicklung)

Äußert sich in organisationalen Verhaltensweisen, die antizipativ, partizipativ, proaktiv, flexibel und initiativ sind

  • Agile Zielführung
  • Strategisches Alignment
  • Transparenz
  • Fokus auf das Wichtigste
  • Selbstorganisation
  • Übergreifende Zusammenarbeit
  • Agilität durch adaptives Planen
  • Kurze Kommunikationswege
  • Wenig Bürokratie durch wenige Regeln
  • Fokus auf kontinuierliche Verbesserung

OKR und Scrum – die perfekte Kombination für ganzheitliche Agilität

Wie bereits angedeutet lassen sich OKRs und Scrum kombinieren. Sehr gut sogar, denn tatsächlich werden die beiden Frameworks, wenn sie richtig zusammengeführt wurden, zu einem mächtigen Tool auf dem Weg, ein agiles Unternehmen zu werden. Es gilt nur, ein paar Punkte zu beachten.

Zunächst muss sich jeder über die Parameter des jeweiligen Frameworks bewusst sein und den Sinn und Zweck hinter ihnen verstehen und verinnerlicht haben. Es ist außerdem ratsam, dass sich die Verantwortlichen der Prozesse (meist OKR Master und Scrum Master) zusammensetzen, um über den vergangenen Zyklus zu reflektieren und gemeinsam die Ziele für den nächsten festzulegen.

Hierbei sollten zunächst die OKRs festgelegt werden, da sie zeitlich weiter gefasst sind (meistens Quartale) als die Sprints von Scrum. Wichtig dabei ist, dass sich die Key Results am Outcome und nicht dem Output orientieren. Nach der Festlegung der OKRs kann mit den Sprints weitergemacht werden.

Verheiratung von OKR und Scrum
Verheiratung von OKR und Scrum

Anschließend muss definiert werden, welche Länge die Sprints haben sollen. Grundlegend ist eine Zwei-Wochen-Taktung zu empfehlen, da so beide Frameworks ihren ursprünglichen Nutzen erhalten (kurzfristig und operativ – mittelfristig und strategisch). Die Verheiratung von OKR und Scrum erfolgt dann über die Verknüpfung von Sprintzielen in Form von Initiativen mit den Key Results, auf die sie einzahlen (siehe Grafik).

Indem OKRs um Scrum ergänzt wird (oder andersherum) können die Vision, die Strategie und der operative Betrieb des Unternehmens in einem Framework abgebildet werden.

Fazit: OKRs, Agile und Scrum

Agile, OKR und Scrum
Agile, OKR und Scrum

Agile ist ein Konzept bzw. Mindset, das als Antwort auf eine zunehmend komplexere Welt entstanden ist, derer das tradierte Wasserfallmodell und andere Managementtechniken nicht mehr gewachsen sind.

OKR ist eine agile Zielmanagement-Methode, während Scrum eine agile Projektmanagement-Methode ist. Beide finden unter dem Dach “Agile” ihren Platz und können bei richtiger Verzahnung miteinander, ein mächtiges Framework für ganzheitliche Agilität bilden.

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