Hoshin Kanri: Das steckt hinter der japanischen Management-Methode

Aug 1, 2022
9 Minuten Lesezeit
Hoshin Kanri
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Sind Visionen und Ziele formuliert, müssen sie auch in die Tat umgesetzt und realisiert werden. Damit das gelingt, braucht es einen klaren und für alle Mitarbeitenden verständlichen Plan. Eine Möglichkeit, einen solchen Plan zu erstellen, ist Hoshin Kanri – eine japanische Management-Methode, die Vision, Strategien und Ziele in einer übersichtlichen Matrix visualisiert.

Wie genau die Hoshin Kanri-Methode funktioniert, was „Hoshin Kanri“ eigentlich bedeutet und wie sich die Hoshin Kanri-Matrix mit anderen Methoden kombinieren lässt, schauen wir uns in diesem Artikel genauer an.

Das erwartet dich:

  • Was ist Hoshin Kanri? Definition
  • So funktioniert die Hoshin Kanri-Methode – 7 Schritte
  • Visualisierung mit der Hoshin Kanri-Matrix
  • Was kann Hoshin Kanri? Vor- und Nachteile
  • Tipps für die Praxis: Hoshin Kanri kombinieren
  • Fazit: Wirksames Tool zur Visualisierung
  • Hoshin Kanri – FAQ

Was ist Hoshin Kanri? Definition

Der Ausdruck Hoshin Kanri stammt aus dem Japanischen und besteht aus mehreren Elementen: „Hoshi“ steht für „Stern“ oder „Kompassnadel“, „Hoshin“ für „Strategie“ und „Kanri“ bedeutet „Management“. Komplett übersetzt meint Hoshin Kanri so viel wie „Kompass-Management“, also die strategische Ausrichtung nach einem bestimmten Ziel. Im Englischen Sprachgebrauch ist die Methode auch als Policy Deployment oder Management by Policy bekannt.

Als Methode zur Strategieumsetzung für Unternehmen ist Hoshin Kanri nicht neu oder spektakulär, aber dafür einfach und praktisch. Das Besondere: Hoshin Kanri verbindet klassische Top-Down-Planung mit Elementen aus dem Lean Management, die Bottom-up funktionieren.

Das Top-Management entwickelt eine Vision und Strategie für das Unternehmen und gibt diese als Ziele, die erfüllt werden sollen, an die unteren Ebenen weiter. Dort setzen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie dann selbstbestimmt um. Alle Teams checken regelmäßig, ob sie ihre Ziele erreichen und wie sie sich noch weiter verbessern können. Ihre Verbesserungsvorschläge reichen sie dann an die Führungskräfte weiter.

Das Ziel von Hoshin Kanri ist, dass am Ende alle an einem Strang ziehen und gemeinsam auf die Unternehmensziele hinarbeiten.
Historische Einordnung von Hoshin Kanri
Historische Einordnung von Hoshin Kanri

Kernelemente von Hoshin Kanri

Die Idee hinter Hoshin Kanri stammt aus dem Lean Management. Es geht darum, mit kontinuierlicher Verbesserung das Beste aus den Ressourcen eines Unternehmens herauszuholen.

Zusätzlich enthält Hoshin Kanri auch Elemente von Kaizen, einer japanischen Lebens- und Arbeitsphilosophie, die immer und überall nach Verbesserung strebt.

Was die Führungsebene angeht, baut Hoshin Kanri auf das 4C-Modell und verlangt von Entscheiderinnen und Entscheidern:

  • Clarity (Klarheit)
  • Courage (Mut)
  • Commitment (im Sinne eines Verständnisses für den Sinn und Zweck des Unternehmens)
  • Consensus (Konsens im Sinne eines gemeinsamen Verständnisses für Prioritäten und Ideen, wie man die Mitarbeitenden einbeziehen kann)

So funktioniert die Hoshin Kanri-Methode – 7 Schritte

Wie auch andere Methoden für strategisches Management, ist Hoshin Kanri keine einmalige Aktion, sondern ein fortlaufender Prozess. Dieser Prozess besteht aus sieben Schritten, die der Reihe nach durchlaufen werden:

1. Vision formulieren

Hoshin Kanri beginnt immer damit, dass das Top-Management eine Unternehmensvision definiert. Diese zeigt, wofür das Unternehmen steht, welche Werte es verkörpert und was es langfristig erreichen möchte. So eine Vision könnte zum Beispiel lauten:

A microcomputer on every desk and in every home running Microsoft software.
― Microsoft Vision (1980)

2. Durchbruchsziele setzen

Im nächsten Schritt wird die Unternehmensvision dann in kleinere Zwischenziele – sogenannte Durchbruchsziele – heruntergebrochen. Gemeint sind damit konkrete Zielsetzungen für die nächsten drei bis fünf Jahre. Damit sie möglichst praxisnah bleiben, werden diese idealerweise nicht allein vom Top-Management, sondern gemeinsam mit den nächsten Führungskräften entwickelt. Sinn der Durchbruchsziele ist es, die Vision verständlicher und greifbarer zu machen.

3. Kurzfristige Ziele festlegen

Anschließend wird weiter konkretisiert: Die Jahresziele des Unternehmens werden definiert. Meistens handelt es sich dabei um Teilziele aus den zuvor festgelegten Durchbruchszielen. Man beantwortet an dieser Stelle die Frage: Wie weit möchten wir in diesem Jahr kommen? Wichtig ist, dass dabei abteilungs- und bereichsübergreifend gearbeitet wird und diese kurzfristen Ziele ebenfalls gemeinsam von verschiedenen Führungskräften erstellt werden.

4. Maßnahmen bestimmen

Um Ziele in die Tat umzusetzen, braucht es konkrete Maßnahmen. Diese werden bei Hoshin Kanri nicht vollständig von oben herab vorgegeben, sondern mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemeinsam erarbeitet. So wird sichergestellt, dass die Maßnahmen auch tatsächlich praktikabel sind.

5. Kennzahlen definieren

Mit den Maßnahmen werden außerdem Kennzahlen festgelegt, die messen, ob diese den gewünschten Effekt haben und die Ziele erreicht werden. Es ist sinnvoll, dabei neben klassischen Ergebniskennzahlen (z. B. Umsatz, Qualität oder Produktivität) auch Prozesskennzahlen (z. B. Fehlerquote) und Messgrößen wie die Kundenzufriedenheit oder die Bekanntheit des Unternehmens einzubeziehen.

6. Umsetzung kontrollieren

Strategien und Maßnahmen einfach nur umzusetzen reicht allein noch nicht aus. Es sollte auch regelmäßig kontrolliert werden, ob bei der Umsetzung alle auf dem richtigen Weg sind. Wie genau und in welchen Zeitabständen das passiert, kann variieren. Manche Ziele brauchen Zeit und können erst nach einigen Monaten kontrolliert werden, bei anderen ist es schon früher sinnvoll, zu checken, ob man sich noch in die richtige Richtung bewegt.

7. Lernen und anpassen

Nach einiger Zeit, meistens zum Jahresabschluss, wird noch einmal im großen Stil Bilanz gezogen: Wurden die kurz- und mittelfristigen Ziele erreicht? Wo stehen wir auf dem Weg zu unseren langfristigen Zielen? Was lief gut, was sollte noch optimiert werden? Und was können wir als Unternehmen im Ganzen daraus lernen? Mit den Ergebnissen aus der Analyse wird dann die Matrix für das kommende Jahr angepasst.

Hoshin Kanri 7 Schritte

Besonderheiten im Hoshin Kanri-Prozess

Hoshin Kanri funktioniert nicht streng hierarchisch. Daraus ergeben sich für den Prozess zusätzlich noch zwei Besonderheiten: der Catchball und der PDCA-Zyklus.

Hoshin Kanri Catchball

Den Catchball werfen die Mitarbeitenden ihren Führungskräften bildlich gesprochen über den gesamten Hoshin Kanri-Prozess hinweg immer wieder zu – und zwar, indem sie Feedback in Form von Kritik und Vorschlägen zur Verbesserung an das Management geben.

So erkennen die Führungskräfte, ob ihre Maßnahmen sinnvoll und tatsächlich umsetzbar sind – und ob alle Mitarbeitenden verstanden haben, was sie tun sollen.

PDCA-Zyklus

Der PDCA-Zyklus hilft dabei, Hoshin Kanri im Unternehmen zu implementieren. Es handelt sich um eine Technik für kontinuierliche Verbesserung, die beispielsweise auch bei Methoden wie Scrum oder Management by Objectives (MBO) zum Einsatz kommt. Im Rahmen von Hoshin Kanri wird der PDCA-Zyklus angewendet, um die Umsetzung der Maßnahmen zu kontrollieren.

Die vier Buchstaben stehen für vier Abschnitte: Plan, Do, Check und Act. Das heißt: Innerhalb eines PDCA-Zyklus werden in kurzen Etappen (beispielsweise monatlich) Ziele gesetzt (Plan). Diese werden mit konkreten Maßnahmen umgesetzt (Do). Dann wird geprüft, ob die Ziele erreicht wurden (Check). Je nachdem, was der Check ergibt, wird der Kurs beibehalten oder mit neuen Maßnahmen korrigiert (Act).

Visualisierung mit der Hoshin Kanri-Matrix

Grafisch umgesetzt wird die japanische Management-Methode in Form einer Matrix – die ein wenig an einem Kompass erinnert:

  • In der Mitte sitzt die Unternehmensvision, quasi als Basis für die Kompassnadel.
  • Die Maßnahmen und Strategien, die die Führungskräfte aus der Vision ableiten, stehen im Norden.
  • Der Süden besteht aus lang- und mittelfristiger Planung, also den Zielen des Unternehmens für die nächsten drei bis fünf Jahre.
  • Im Westen werden die kurzfristigen Ziele (meistens für ein Jahr) festgehalten.
  • Im Osten gegenüber stehen dann die dazugehörigen Kennzahlen.
Hoshin Kanri-Matrix
Hoshin Kanri-Matrix

Die Hoshin Kanri-Matrix (auch Hoshin Kanri X-Matrix) soll allen im Unternehmen helfen, zu verstehen, wohin die Reise geht und warum einzelne Maßnahmen sinnvoll sind. Die Matrix ist dabei niemals endgültig in Stein gemeißelt, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können die Ausrichtung bis zu einem bestimmten Grad beeinflussen und mitbestimmen.

Was kann Hoshin Kanri? Vor- und Nachteile

Richtig umgesetzt schafft Hoshin Kanri eine wichtige Brücke zwischen Strategie und Umsetzung. Gleichzeitig stellt die Management-Methode Entscheiderinnen und Entscheider aber auch vor einige Herausforderungen.

Die wichtigsten Vor- und Nachteile von Hoshin Kanri haben wir hier einmal zusammengefasst.

Die Vorteile:

✔️ Hoshin Kanri hilft einer Organisation, sich zu fokussieren und Unternehmensziele zu visualisieren.

✔️ Starre hierarchische Prozesse werden mit agilen Elementen aufgebrochen. Unternehmen können so flexibler agieren.

✔️ Durch die Visualisierung lässt sich die Unternehmensstrategie leicht kommunizieren.

✔️ Das Konzept ist flexibel nutzbar, unabhängig von der Unternehmensgröße.

Die Nachteile:

❌ Hoshin Kanri schützt nicht vor falschen oder unrealistischen Zielen.

❌ Konkurrenz und Umweltfaktoren spielen bei der Technik keine Rolle und werden ausgeblendet.

❌ Hoshin Kanri liefert nur den Rahmen für die Visualisierung und den Prozess. Wie genau Ziele definiert und formuliert werden, ist nicht vorgegeben.

❌ Ziele werden für ein Jahr formuliert. In der modernen, schnelllebigen Arbeitswelt ist dieser Planungszeitraum womöglich zu lang.

Tipps für die Praxis: Hoshin Kanri kombinieren

Die Schwächen von Hoshin Kanri lassen sich gut ausgleichen, indem man die Technik mit anderen (agilen) Methoden kombiniert oder die Hoshin Matrix mit zusätzlichen Infos versieht. Man könnte beispielsweise:

  • Verantwortlichkeiten und Timelines für die Maßnahmen festhalten.
  • die Durchbruchs- und Jahresziele verschiedenen Kategorien oder Perspektiven zuordnen und die Matrix zu einer Balanced Scorecard (BSC) bzw. Strategy Map weiterentwickeln.
  • die Durchbruchs- und Jahresziele nach der SMART-Methode formulieren.
  • mit OKRs die Jahresziele weiter aufschlüsseln und den Fokus bei der Umsetzung für eine bestimmte Zeit lang (meistens quartalsweise) auf spezielle Ziele legen. Die richtige OKR-Software kann einen dabei unterstützen.

Hoshin Kanri vs. OKR – Gemeinsamkeiten und Unterschiede

An dieser Stelle lohnt es sich, auf das Thema OKR vs. Hoshin Kanri bzw. die Kombination der beiden Methoden einen genaueren Blick zu werfen. Tatsächlich haben OKRs (kurz für „Objectives und Key Results“) und Hoshin Kanri einige Gemeinsamkeiten:

  • Beide Methoden haben das Ziel, Alignment und Transparenz zu schaffen und es den Mitarbeitenden zu ermöglichen, durch selbstbestimmtes Arbeiten zu den Unternehmenszielen beizutragen.
  • Sowohl Hoshin Kanri als auch OKRs funktionieren als iterativer Prozess.

Sie unterscheiden sich aber auch in zwei wichtigen Punkten: Komplexität und Zeit. Während bei Hoshin Kanri normalerweise Ziele auf mehreren Ebenen festgelegt werden und es darum geht, eine ganzheitliche, übergeordnete Strategie für die gesamte Organisation über mehrere Jahre festzulegen, stehen bei OKRs spezifische Ziele für einen kürzeren Zeitraum von drei bis vier Monaten im Vordergrund. Zudem sind OKRs schlanker und ausschließlich Outcome-fokussiert.

💡 Tipp: Wer sich zum Thema OKRs intensiver einlesen oder sein Wissen auffrischen möchte, schaut einfach auf unserem OKR Guide vorbei oder klickt sich durch unseren Blog.

Vor allem die Tatsache, dass OKRs mit deutlich kürzeren Zeiträumen arbeiten, eröffnet die oben genannten Kombinationsmöglichkeiten mit der Hoshin Kanri-Methode.

💡 Übrigens: Es gibt noch weitere strategische Frameworks, die Unternehmen mithilfe von Zielen voranbringen können. Außer auf Hoshin Kanri und OKR lohnt sich auch ein Blick auf MBO, OGSM und Balanced Scorecard.

Fazit: Wirksames Tool zur Visualisierung

Unternehmen brauchen eine durchdachte Strategie, um langfristig erfolgreich zu sein. Gleichzeitig müssen sie flexibel bleiben und auf Veränderungen in der Arbeitswelt reagieren können. Hoshin Kanri kann diese beiden Anforderungen bei der strategischen Planung vereinen, indem es starre hierarchische Prozesse mit agilen Elementen aufbricht und das Management in einen kontinuierlichen Dialog mit den Mitarbeitenden bringt.

Die Planungsmethode hat allerdings auch einige Schwächen: Sie visualisiert Strategien und gibt den Rahmen für den Prozess vor. Wie genau Ziele formuliert und identifiziert werden sollen, ist nicht geregelt. Deshalb ist es in der Praxis sinnvoll, Hoshin Kanri als wirksames Visualisierungstool für die Umsetzung mit anderen (agilen) Methoden zu kombinieren – beispielsweise mit OKRs, Balanced Scorecard oder SMART.

Hoshin Kanri – FAQ

Was bedeutet Hoshin Kanri?

Der Begriff „Hoshin Kanri“ stammt aus dem japanischen und besteht aus mehreren Elementen. Insgesamt bedeutet er so viel wie „Kompass-Management“ oder „in eine Richtung steuern“.

Wie funktioniert Hoshin Kanri?

Strategien werden mit Hoshin Kanri in sieben Schritten geplant und umgesetzt: 1️⃣ Vision formulieren, 2️⃣ Durchbruchsziele setzen, 3️⃣ Kurzfristige Ziele festlegen, 4️⃣ Maßnahmen bestimmen, 5️⃣ Kennzahlen definieren, 6️⃣ Umsetzung kontrollieren, 7️⃣ Lernen und anpassen.

Welche Vorteile hat die Hoshin Kanri-Methode?

Hoshin Kanri ist flexibel nutzbar und hilft Organisationen jeder Größe, sich zu fokussieren, Unternehmensziele zu visualisieren und diese einfach und verständlich an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu kommunizieren.

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